Ergotherapie Irene Nee

Ergotherapie in der Pädiatrie

Die Behandlung von Kindern ist ein wesentliches Teilgebiet der Ergotherapie. Ergotherapie kann daher (im Rahmen interdisziplinärer Zusammenarbeit) bei allen Kindern und Jugendlichen indiziert sein, deren Entwicklung zu selbstständigen, handlungsfähigen Erwachsenen eingeschränkt bzw. behindert ist, z.B. durch:

■ Störungen des Bewegungsablaufs infolge hirnorganischer Schädigungen (spastische Lähmungen,
  Anfallsleiden,
■ Hydrocephalus, Spina bifida, Muskeldystrophien etc.)
■ Störungen der sensomotorischen Entwicklung und der damit verbundenen Beeinträchtigungen
  der kognitiven Prozesse.
■ Störungen der Wahrnehmungsfähigkeit und -verarbeitung (sensorischen Integrationsstörungen)
■ Ausfallerscheinungen bzw. Verzögerungen in der Sozialentwicklung, der Beziehungsbildung und
  Kommunikationsfähigkeit
■ Psychische Erkrankungen nur in Zusammenarbeit mit Kinder- und Jugendpsychiatern oder
   -psychologen, z.B. Verhaltensstörungen, ADHS, frühkindlicher Autismus, Essstörungen,
  Ängste, Aggressionen...)Sinnesbehinderungen, z.B. Taubheit, Blindheit
■ Lernstörungen infolge von Konzentrations- und Ausdauerstörungen (graphomotorische Übungen,...)
■ Geistige Behinderungen

Behandlungsziele sind unter anderem

■ Verbesserungen der Bewegungsabläufe, der Tonusregulation und der Koordination
■ Verbesserung der Sinneswahrnehmung und der Wahrnehmungsverarbeitung
■ Verbesserung der Konzentration und Ausdauer und kognitiver Leistungen.
■ Stärkung der Motivation und Neugierde
■ Integration in Familie und Umwelt inkl. der intensiven Auseinandersetzung mit der Umwelt
  und der Kompensation bleibender Defizite
■ Größtmögliche Selbstständigkeit im Alltag, in der Schule und im weiteren Umfeld

Störung der taktilen Wahrnehmung

Störung der propriozeptiven Wahrnehmung

Störung der vestibulären Wahrnehmung

Über- und Unterfunktion des Tastsinns Bei herabgesetztem berührungsempfinden bedarf es intensiver Reize, da geringfügige taktile Reize kaum wahrgenommen werden.

Häufige Schmerzunempfindlichkeit, die Suche nach massivem Berührungsreizen und wenig soziale Hemmschwellen sind typische Merkmale. Bei einer taktilen überempfindlichkeit ist genau das entgegengesetzte Verhalten auffällig.

Berührungsabweisende Kinder können taktile Reize als unangenehm empfinden oder sie reagieren mit zurückziehen, Aggression, Vermeidung oder Furcht.

Diese Kinder brauchen mehr berührungen als andere. Jedoch können Tastimpulse weniger gut abgestimmt werden, das Berührungssystem wird überfordert.

Die Konsequenz ist häufig, dass es zu Konflikten in den sozialen Beziehungen kommt.
Ungenaue und undifferenzierte Information über die Spannung und Lageveränderung der Muskulatur und Gelenke haben eine unzureichende Eigenwahrnehmung zur Folge. (Wo, wie,...stehe ich, bin ich)

Bei einer Störung der Tiefenwahrnehmung (Propriozeption) haben die betroffenen Personen kein differenziertes Körpergefühl. Einzelne Körperteile können im Körperschema fehlen. Bei komplexen Tätigkeiten werden die einzelnen Körperteile nicht oder nur nach Aufforderung benutzt. Das Erlernen komplexer Bewegungsabläufe dauert länger, die Automatisierung von Bewegungen ist erschwert. Ein gezielt gesteuerter Bewegungsablauf udn das Dosieren des Krafteinsatzes ist beeinträchtigt. Häufig treten Probleme in der Figur-Grund-Wahrnehmung auf, da die Differenzierung einzelner Reize und ihre unterschiedliche Bedeutsamkeit gestört ist. Soziale Konsequenzen hat die ausdrucksarme Mimik.

Auch bei dieser Störung wird zwischen Unter- und überfunktion differenziert. Bei einer vestikulären überempfindlichkeit ist zu beobachten, dass Kinder von jeglicher Beanspruchung ihres Gleichgewichtssystems verunsichert sind. Sie vermeiden es zu klettern, zu balancieren und zu schaukeln. Schwindelgefühl und übelkeit bei Drehungen sind typisch. Bewegungsspiele werden gemieden, so dass im laufe der Zeit aus einer vestibulären überempfindlichkeit eine motorische Unsicherheit und Ungeschicklichkeit werden kann.

Typische Reaktionen bei
vestibulären Wahrnehmungsstörungen

■ oft einhergehend mit taktiler Überempfindlichkeit
■ Vermeidung von Rechts-/Linksveränderung
■ heftige Reaktionen bei zufälligem Anstoßen
■ Neigung zur Selbstunterforderung oder Vermeidung
■ Mädchen neigen zum Weinen, Jungen neigen zum Überspielen oder Kaspern
■ Vergesslichkeit
■ Zehenspitzengang; Ruderbewegung der Arme
■ Spielplätze werden vermieden und Turngeräte nicht freiwillig benutzt

Ein scheinbar nicht zu befriedigendes Bewegungsbedürfnis charakterisiert Kinder mit vestibulärer Unterempfindlichkeit. Eine intensive Gleichgewichtsstimulation erfahren sie durch schnelles drehen, schaukeln und wippen. Sie können ihre Leistungsfähigkeit nicht richtig einschätzen, haben vor nichts Angst und probieren alles aus. Trotzdem haben diese Kinder aufgrund mangelnder vestibulärer Reizverarbeitung Schwierigkeiten in ihrer Bewegungskoordination. Oft sind Orientierungsprobleme im Raum und das Verwechseln von rechts und links beobachten.

Typische Reaktionen bei taktilen Wahrnehmungsstörungen

Typische Reaktionen bei propriozeptiven Wahrnehmungsstörungen

Typische Reaktionen bei vestibulären Unterempfindlichkeit

■ Abwehrverhalten oder Furcht
  bei Annäherungen, besonders
  wenn diese von hinten erfolgen
■ verbale Abwehr durchch
  Beschimpfungen
■ spontane, unerklärliche und
  agressive Wutausbrüche ohne
  erkennbaren Anlass
■ ängstliches Verhalten, bedroht
  fühlen
■ Berührung, Austausch von
  Zärtlichkeiten (jeglicher
  körperlicher Kontakt) werden
  als unangenehm empfunden
  und abgelehnt (besonders im
  Gesicht)
■ ungewöhnliches Bedürfnis,
  bestimmte Materialien
  (Fingerfarbe,Sand,Kleister)
  zu meiden
  (Überempfindlichkeit), aber
  auch Bevorzugung ausge-
  wählter Oberflächen
■ Überreaktion auf akustische,
  meist unbekannte und nicht zu
  identifizierende Geräusche
■ Auswahl oder Ablehnung
  bestimmter Speisen
  (auch wegen des Geruches)
■ Sprachverständnis oft besser
  als Sprachproduktion
  (Stammeln,Dysgrammatismus)
■ unabsichtliches Anstoßen
  anderer Kinder (häufiger
  Auslöser für Rangeleien)
■ verlaufen sich leicht, erkennen
  Wege auch in bekannter
  Umgebung nicht wieder
■ Ordnung machen und halten
  fällt schwer
■ schweres Erlernen der
  Buchstaben, unterschiedliche
  Schriftgröße und Richtung
■ Störung der Stereognosie
  (ertasten und zuordnen der-
  selben Form gleichzeitig
  mit beiden Händen
  ist problematisch)
■ Bewegungssteuerung und
  Kraftdosierung sind nicht
  entsprechend
■ Bewegungen können nicht
  spontan gestoppt werden
■ Begrenzungslinien beim
  Malen können nicht
  eingehalten werden
■ permanentes, unbewusstes
  Ausgleichen von Untergrund-
  veränderungen ist schwer
  möglich
■ langsames Arbeiten, oft
  ineffektiv
■ wenig differenzierte
  Fingerbewegung lassen auf
  Störungen im Bereich der
  Feinmotorik schließen
■ anziehen komplizierter
  Kleidungsstücke wird
  vermieden
■ Hyperaktivität durch
  Senkung der Reizwelle,
  vestibuläre Stimulation wird
  permanent benötigt
■ ständiges in-Bewegung-
  sein, Ruhelosigkeit, kann
  nicht abwarten
■ häufiges Anstoßen anderer
  Kinder
■ Schrift oft ausfahrend mit
  wenig Druck
■ Kraftdosierung in den
  Händen zu fest oder zu
  locker
Bei Konzentrations- und Ausdauerstörungen